Am letzten Juliwochenende veranstalteten wir das Künstlerfest Seehkraft2. Auf dem Seegrundstück einer historischen Villa in Schondorf gab es bei freiem Eintritt drei Tage lang Musik, Lesungen und Performances. Mit dabei war auch der Erfolgsautor Hanns Christian Müller („Fast wia im richtigen Leben“, „Kehraus“). Er las aus seinem Buch „Sonne für alle, auch wenn es regnet“, dessen Titel Programm für das ganze Fest war. Trotz gelegentlicher Regenschauer herrschte durchgängig eine sommerlich beschwingte Stimmung.
Jazz touché und ein neun Meter Schal
Am Freitag Abend eröffnete Dr. Thomas Goppel mit einer humorvollen Rede das Künstlerfest. Man merkte dem ehemaligen Kunstminister an, wie sehr ihn das ehrenamtliche Engagement des Vereins Schondorfer Kreis freute. Tatsächlich hatte Organisatorin Silke Hohagen, Leiterin unseres Arbeitskreises „Kunst & Veranstaltungen“, ein ausgesprochen vielfältiges Kunstprogramm auf die Beine gestellt hatte.
Die Besucher waren bei diesem Open Air Fest nicht in Sitzreihen verbannt, sondern spielten eine aktive Rolle. In dem mit Skulpturen des Metallkünstlers Thomas Lenhart geschmückten Gelände gab es vielfältige Gelegenheiten zum Gespräch mit den beteiligten Musikern und Literaten.
Erster Programmpunkt am Freitagabend war „Jazz touché“ mit Sängerin Siso Hagen, Wortkünstlerin Katalin Fischer und Pianist Matthias Preißinger. Mit eigenen Texten und den Liedern von Friedrich Hollaender schlug das Trio einen Bogen von den wilden 20er- und 30er-Jahren in die Gegenwart.
Nach einer regenbedingten Pause erinnerte der Schondorfer Künstler Andreas Kloker an Susanne Sticker, die sich ihr ganzes Leben lang im kulturellen und öffentlichen Leben des Ortes engagiert hatte. Zu Texten aus ihren Lieblingsbüchern wickelte sich Kloker in einen neuen Meter langen Schal, den Sticker an langen Abenden gestrickt hatte. Ein rot-weiß-roter Schal, denn Sticker bevorzugte österreichische Autoren.
Zum Abschluss des ersten Tages gab es noch einmal Musik. Troubadour Walter Schreiber spielte auf seinem Akkordeon alte italienische und französische Lieder. Er bewies dabei, dass die teilweise Jahrhunderte alten Melodien auch heute noch die Menschen zum Tanzen bringen.
Sonne für alle, auch wenn es regnet
Am Samstagnachmittag eröffnete Hanns Christian Müller mit Texten aus seinem Buch „Sonne für alle, auch wenn es regnet“. Der Autor und Regisseur ist vielen durch seine Zusammenarbeit mit Gerhard Polt ein Begriff. Für Polt schrieb er beispielsweise die Sketche der Serie „Fast wia im richtigen Leben“. Im Buch beschreibt Müller Episoden, die tatsächlich aus dem richtigen Leben stammen. Hier sieht man, woher er die Inspirationen für seine skurrilen und doch so treffenden Alltagsbeschreibungen bezieht.
Weiter ging es um 18:00 Uhr mit einer Weltpremiere. Die Autorin Corinna-Rosa Falkenberg gab erstmals Einblicke in ihr neues Buch „Der Himmel und das Salz“. Das war aber nicht einfach eine Lesung, sondern ein verspieltes Happening, bei dem die Sängerin Siso Hagen und Katja Brandl am Klavier für die passende musikalische Begleitung sorgten.
Da die für den Abend angekündigte Band Lakeside4 leider krankheitsbedingt absagen musste, griff Walter Schreiber noch einmal in die Tasten seines Akkordeons. Wie schon am Vorabend hielt es das Publikum dabei nicht auf den Stühlen und es wurde bis spät in die Nacht das Tanzbein geschwungen.
Freiheitsdrang und Fernweh
Am Sonntag spielte dann auch das Wetter wie gewünscht mit. Bis auf einen kurzen Regenschauer am Vormittag war der ganze Tag sommerlich sonnig. Der kurze Regenguss erwischte ausgerechnet die Reiseschriftstellerin Carmen Rohrbach.
Die ließ sich davon aber nicht beeindrucken, denn die Abenteurerin hat schon ganz andere Situationen bewältigt. Sie setzte sich einfach zum Publikum unter das Zeltdach und erzählte frei von Erlebnissen auf ihren Reisen. Beispielsweise wie sie aufbrach, um mit dem Kamel quer durch den Jemen zu ziehen – ohne dass sie damals die Sprache kannte oder jemals auf einem Kamel gesessen war. Auch Rohrbach wurde musikalisch von Siso Hagen begleitet, am Klavier saß diesmal Gerald Süttinger.
Weiter ging es am Nachmittag mit The Wildpainters. Dahinter stecken die Sänger und Gitarristen Markus Thielen und Mark Nicholas. Letzteren kennen viele vom MusiComedy-Duo Mark’n’Simon. Das komödiantische Talent blitzt auch bei The Wildpainters immer wieder mal auf, aber im Vordergrund stehen bodenständiger Blues und Rock, den die beiden mit viel Herzblut spielen. Selbst alte Hits von Elvis Presley oder Thin Lizzy klingen bei ihnen so frisch und unverbraucht, als wären ihnen die Songs gerade spontan eingefallen.
Mit viel Herzblut sind auch Elke Jordan und Gregor Netzer bei der Sache. Sie hatten extra für Seehkraft2 ihren Kunstautomaten vom Landsberger Spielplatz nach Schondorf gebracht. Am Nachmittag erklärten sie die Idee hinter diesem umgebauten Zigarettenautomaten, aus dem man für fünf Euro signierte Originalkunstwerke ziehen kann. Das taten die Besucher dann auch sehr fleißig, und die von sechs verschiedenen Künstlern bestückten Warenschächte leerten sich in Windeseile.
Um 19:00 Uhr betrat noch einmal Andreas Kloker die Bühne, diesmal als Rapper. Mit Beatbox, Hiphop-Gesten und eingehüllt in einen mongolischen Schlafrock gab er seinen bayerisch-chinesischen Rap „Zao-I“ zum besten. Das Publikum staunte, dass Bayerisch und Chinesisch zum verwechseln ähnlich klingen können.
Den Abschluss von Seehkraft2 bildete ein Doppelkonzert von Jakob Mühleisen und Tom Hauser, unterstützt vom Schlagzeuger Simon Schröttle. Mühleisen hat gerade seine dritte CD „A Scenario We Are Living In“ auf den Markt gebracht. Hauser ist im Rahmen seiner Vanlife Tour praktisch ständig mit dem Etrusco Campingvan unterwegs, den er stilgerecht am Seeufer geparkt hatte. Ein perfekter Hintergrund für die Lieder über Fernweh und Freiheit, mit denen die drei das Publikum begeisterten.
Das Künstlerfest Seehkraft2 war also trotz des wechselhaften Wetters ein voller Erfolg und viele der Besucher fragten bereits, ob der Schondorfer Kreises wohl nächstes Jahr wieder ein Seehkraft2 veranstalten wird.