Am 2. November veranstaltete der Schondorfer Kreis in der Wartehalle des Bahnhofs eine szenische Lesung des Textes „Dämmerung“ von Susanne Sticker. Katalin Fischer und Gila Stolzenfuß präsentierten den skurril-melancholischen Text, in dem Micky Maus als Reporterin auf die mürrische Frau S. trifft. An diesem Abend wurde auch der neueste Band der Reihe „Schondorfer Hefte“ vorgestellt, der sich Leben und Werk von Susanne Sticker widmet.
Susanne Sticker
Susanne Sticker (1943 – 2018) war auf vielfältige Weise im Schondorfer Leben aktiv. Sie war eine engagierte Gemeinderätin, leitete die Schondorfer VHS, und baute die Gemeindebücherei auf, die sie bis 2017 leitete.
Dass sie auch heute noch vielen Schondorfern ein Begriff ist, zeigte sich bei der Lesung im Bahnhof. Die Sitzplätze waren im Nu besetzt, und während der Vorstellung standen die Zuschauer dicht an dicht in der Wartehalle.
Micky Maus und Frau S.
Susanne Sticker hatte ein Faible für österreichische Autoren und ihren oft eigentümlichen Humor. In dieser Tradition steht auch ihr Text „Dämmerung“: Eine Frau S. wird über Monate hinweg regelmäßig von Micky Maus besucht, um sie für den Bayerischen Rundfunk zu interviewen.
In der Inszenierung unseres Mitglieds Andreas Kloker machten Gila Stolzenfuß und Katalin Fischer mit einfachsten Mitteln den Zauber dieses Textes erlebbar. Katalin Fischer überzeugte als schüchterne Micky Maus, die unter ihrer Andersartigkeit leidet und sich nur langsam ihrer Interviewpartnerin gegenüber öffnet.
Auch Gila Stolzenfuß stellte den Wandel von Frau S. glaubhaft dar. Erst mürrisch, schnippisch und abweisend, wächst ihr Micky Maus doch zunehmend ans Herz. Am Ende sieht man zwei Außenseiter, die sich gegenseitig Halt geben, auch wenn sie dazu nur gemeinsam aus dem Fenster schauen.
Das Publikum spürte jedenfalls sichtlich den Sog dieser skurril-melancholischen Geschichte, und spendete am Ende begeisterten Applaus. Viele zogen anschließend von der Wartehalle weiter zum Skriptorium in der Bahnhofstrasse. Andreas Kloker hat das Fenster seines kleinen Ateliers mit Erinnerungen an die ungewöhnlichen Projekte von Susanne Sticker dekoriert.
Neuer Band der Schondorfer Hefte
Beispielsweise sieht man hier die Schulhefte, in die Sticker Alfred Döblins 675 Seiten starken Roman „Berlin Alexanderplatz“ von Hand abgeschrieben hat. Zu sehen ist auch der fast neun Meter lange Schal, den Sticker strickte, während sie sich Hörbücher ihrer österreichischen Lieblingsautoren anhörte.
Diese und viele andere von Susanne Stickers Arbeiten sind auch in der neuesten Ausgabe der Reihe „Schondorfer Hefte“ zu finden. Der Band ist ganz ihrem künstlerischen Schaffen gewidmet und enthält zahlreiche Abbildungen, Texte von und über sie, und das Stück „Dämmerung“. Das Heft kann beim Schondorfer Kreis unter info@andreaskloker.de bestellt werden.