Am 3. Juni verlieh der Verein Schondorfer Kreis für Kultur und Landschaftspflege den diesjährigen Gestaltungspreis „Gelungen“. Mit diesem Preis werden Gebäude ausgezeichnet, die das Ortsbild Schondorfs positiv prägen und sich harmonisch in die bestehende Umgebung einfügen. Die heurige Verleihung stellt ein Novum dar: Erstmals wurde die Auszeichnung nicht für eine gelungene Renovierung verliehen, sondern für einen Neubau. Das prämierte Objekt ist ein von der Familie Bosch errichtetes Wohnhaus in der Sonnenleite.
Erstmals ein Neubau prämiert
Bei strahlendem Wetter enthüllte Dorothee Mayer-Tasch, Vorsitzende des Vereins Schondorfer Kreis, die Plakette „Gelungen“ am Haus Sonnenleite 3 in Schondorf. Damit wurde erstmals ein Neubau ausgezeichnet. Bislang ging der Gestaltungspreis immer an gelungene Renovierungen in Schondorf.
In ihrer Ansprache verhehlte Mayer-Tasch nicht, dass das im Verein zu lebhaften und durchaus kontroversen Diskussionen geführt hatte. Man wollte aber ein Zeichen setzen, dass zu einem stimmigen Ortsbild nicht nur die Bewahrung historischer Bauten gehört, sondern auch der Mut zu frischen Impulsen.
Die Entscheidung für die Prämierung fiel nach mehreren Ortsbegehungen und einer Befragung aller Mitglieder des Vereins, in der sich das Haus in der Sonnenleite als Favorit durchsetzte. Das Gebäude ist ein von der Familie Bosch gebautes Haus mit sieben Wohneinheiten am südlichen Ende der Straße.
In der Tradition der Ammersee-Villen
Die Laudatio hielt Prof. Peter Cornelius Mayer-Tasch, Leiter des Arbeitskreises „Ortsbild“ im Schondorfer Kreis. Er betonte, dass das Haus aus zwei Gründen als besonders gelungen ausgezeichnet wurde. Zum einen sei es mit seiner strukturierten Fassade, dem kombinierten Schindel- und Grasdach, und dem markanten Treppenturm ein wirklicher Blickfang. Es stehe in der architektonischen Tradition der stattlichen Villen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Unterschondorf, in der Nähe zum Ammersee errichtet wurden.
Zum anderen füge es sich in die bestehende Bebauung ein. In unmittelbarer Nähe zur Straße Am Eichet führe es dort die gestalterische Linie von der sogenannten Stinnes-Villa über das Firmengebäude und das Wohnhaus der Familie Bosch fort. Es sei aber keine sklavische Kopie der historischen Vorbilder.
Eine zeitgenössische Interpretation
Zusammen mit dem Schondorfer Architekten Kurt Bergmaier haben die Bauherren ein Haus entworfen, das die Formensprache der Nachbargebäude zeitgenössisch interpretiert. Dadurch bildet das Bauwerk jetzt zusammen mit dem gegenüberliegendem Wohnhaus der Familie Bosch ein markantes Entrée zur Sonnenleite, die ab hier sanft zur Kirche Heilig Kreuz ansteigt.
Im formalen Wechselspiel mit der Nachbarbebauung wurde auch auf kleine Details geachtet. Sogar die stählerne Überdachung der Mülltonnen bezieht sich mit ihren Art déco Elementen auf die Stahlkonstruktion der Hofeinfahrt auf der anderen Straßenseite.
Ungewöhnliche Detaillösungen
Dass es sich die Bauherren Ursula und Dr. Thorsten Bosch mit der Verwirklichung ihrer Vision nicht leicht gemacht haben, sieht man schon an der langen Bauzeit. Die Erklärung des ungewöhnlichen Konzeptes erforderte viel Überzeugungsarbeit im Gemeinderat und Landratsamt. Dazu kamen noch technische und rechtliche Fragen, sodass es am Ende fast vier Jahre bis zur Fertigstellung dauerte.
Dem vorangegangen war eine umfangreiche Planungsphase. Teilweise mit Hilfe von Tonmodellen wurde Schritt für Schritt die endgültige Form entwickelt. Dr. Thorsten Bosch nennt als ein Beispiel die Dachkonstruktion, die teilweise mit Schindeln bedeckt, teilweise mit Gras bewachsen ist. Die Schindeln brauchen eine bestimmte Neigung, damit das Wasser gut abrinnen und keine Feuchtigkeit eindringen kann. Das Grasdach dagegen darf eine gewisse Neigung nicht überschreiten, um genau diese Feuchtigkeit zu halten. Beide Neigungswinkel in einer geschwungenen Dachform zu kombinieren, erforderte aufwändige Berechnungen und höchste Genauigkeit in der Umsetzung.
Wie aus Mittelerde
Mit dem Ergebnis sind die Bauherren aber völlig zufrieden. Das Dach wirke sommers wie winters als eine natürliche Klimaanlage. Außerdem sei es eines der Gestaltungsmerkmale, die zufällig Vorbeikommende immer wieder zum Staunen bringe. Ein Passant habe sich beim Anblick des Hauses sogar an die Fantasy-Welt Mittelerde aus „Herr der Ringe“ erinnert gefühlt, schmunzelt Dr. Bosch. Das Gebäude in seiner unverwechselbaren Gestaltung prägt also tatsächlich den Eindruck, den Einheimische und Besucher vom Ort Schondorf bekommen.
Mit dem Gestaltungspreis „Gelungen“ honoriert der Schondorfer Kreis das Engagement der Bauherren, die beispielhaft zeigen, dass auch Mehrfamilienhäuser keine fantasielosen Schachteln sein müssen.
Der Gestaltungspreis „Gelungen“
Seit 2017 vergibt der Verein Schondorfer Kreis für Kultur und Landschaftspflege den Gestaltungspreis „Gelungen“ für im positiven Sinn ortsbildprägende Häuser. Die prämierten Gebäude werden mit einer vom Künstler Andreas Kloker gestalteten Plakette sichtbar gemacht. Bislang ausgezeichnet wurden die Villa Schwarz in der Schondorfer Seestraße, das Haus der Familie Wagner in der Landsberger Straße, das Haus der Familie Davidoff in der Moraschstraße, und die Umkleidekabinen des Strandbades Forster.